06.02.2024 - Kultur

Was ist uns das Theater wert?

Beim Motor-Montag zum Thema Theater war Intendant Daniel Morgenroth zwar gesundheitlich verhindert – doch Verwaltungsdirektor Philipp Bormann und Chefdramaturg Martin Stefke haben an diesem Abend so viel Empathie und Fakten vermittelt, dass es kaum Fragen gab. Zum Einstieg schenkte der moderierende Motor-Stadtrat Mike Altmann den Theaterleuten Fundstücke vom Dachboden der Oma. Drei Broschüren des Gerhart-Hauptmann-Theaters Zittau aus dem Jahr 1971. Darunter auch Werbung für ein „Brigade-Abo“ – vielleicht erlebt das gemeinsame Theatererlebnis unter Kollegen eine neue Renaissance?


Güterbahnhof wird Ausweichbühne

Am 8. November 2022 ergossen sich 60.000 Liter Wasser auf und hinter die Bühne, so dass geklärt werden musste, wofür die Versicherung zahlt. Es war spannend, zu erfahren, worum es bei diesen Fragen alles ging. Schließlich wurde nach der Sanierung des Saals aufgehört, auch den “geschichtsträchtigen“ Bau hinter der Bühne zu ertüchtigen, wo die gesamte Technik steckt. 40 Millionen Euro beträgt die geschätzte Bausumme nun, die auf einer Vergabekonferenz im Rathaus im Raum stand.
 
Wenn alles so klappt wie geplant, könnten im Mai/Juni die Fördermittelanträge gestellt werden, um hoffentlich bis Ende des Jahres einen Bescheid zu erhalten. Nach europaweiten Ausschreibungen soll 2025 geplant und 2026/27 gebaut werden. Dazu müssen aber alle raus aus dem Haus. Eine Ausweichbühne muss her. Eine Zelt-Variante, wie sie bei der Sanierung des Zittauer Hauses genutzt wurde, war schnell vom Tisch. „Energetisch und akustisch eine Katastrophe“, nannte es Philipp Bormann. So kam man auf einen Raum, der erst „interimsmäßig als Bühne und später als Probenraum genutzt werden kann“: der alte Güterbahnhof, bestens bekannt als Aufführungsort vom bejubelten Stück „Malfi“. In den nächsten Tagen hoffen die Theaterleute auf Zuwendungsbescheide für diese nachhaltige Lösung.

 

Moderator Mike Altmann übergibt Martin Stefke und Philipp Bormann historische Werbeprospekte des Gerhart-Hauptmann-Theaters Zittau von 1971.

 

Theater kostet Geld

Neben baulichen Dingen ging es um die langfristige Finanzierung des Theaters. Zuletzt fehlten 1,3 Millionen Euro im Etat. Der Freistaat sprang ein. Eine langfristige Lösung ist aber derzeit nicht in Sicht, wie man etwa die regelmäßigen Lohnsteigerungen beim Personal finanziert. 75 Prozent im Etat sind Personalkosten. Immerhin beschäftigt das Theater rund 250 Leute, darunter auch viele geschickte Handwerker, die überhaupt erst einen Spielort wie den Güterbahnhof möglich machen. „Das Theater ist ein Ansiedlungsargument!“, sagt Philipp Bormann. Er wünscht sich eine kommunalpolitische Debatte und Entscheidung: „Was ist uns ein eigenes Theater in der Region wert?“ In der Stadt Görlitz gibt es dazu kaum Diskussionen, wohl aber im restlichen Kreisgebiet. Das Gerhart-Hauptmann-Theater gehört den Gesellschaftern Landkreis Görlitz, Stadt Görlitz und Stadt Zittau. Nur wenn alle an einem Strang ziehen, wird es eine Theaterzukunft geben. Hier wird auch künftig der Freistaat Sachsen gefragt sein.  


Gut situierte Randzielgruppe?


Im Theater verweist man zurecht darauf, nicht nur die Aufführungen zu zählen. Das GHT strahlt in die gesamte Oberlausitz aus. Von den insgesamt 700 Angeboten pro Jahr im gesamten Landkreis Görlitz, sind 100 bis 150 theaterpädagogischer Art. Da wird mit Kindern und Jugendlichen gearbeitet, Selbstvertrauen gegeben, gegenseitiger Respekt vermittelt.
 
Am Abend stellte sich die Frage, ob man nicht von erfolgreichen Muscialtheatern lernen könnte. Oder von Konzerten in der Landskronbrauerei. Da würden tausende Leute kommen und für ein Ticket 80 Euro zahlen. Nicht vergleichbar, sagten Philipp Bormann und Martin Stefke. Das hätte mit einem regionalen Theater nichts mehr zu tun. Das GHT spiele für viele Zielgruppen, für die man abwechslungsreich und breit aufgestellt ist. Mit einer Auslastung von 75 Prozent habe man etwa 150.000 Leute erreicht. Und wer meint, dass Theaterbesucher nur ein gut situiertes Klientel sind, das für die Karten doch deutlich mehr zahlen sollte, dem entgegnet der gewitzte Verwaltungsdirektor: Die Preise im Schwimmbad werden auch nicht massiv erhöht, selbst wenn nur ein Teil der Stadtgesellschaft krault. 

 

Nach "Malfi" wird auch "Das beispielhafte Leben des Samuel W." von den nationalen Medien ausführlich besprochen. Neben großen Gazetten wie Süddeutsche, FAZ und ZEIT hat sich 3sat (Kulturzeit) damit beschäftigt. Möglicherweise folgen weitere Sender. Ein feiner Erfolg für das Theaterteam und Autor Lukas Rietzschel.


Es wird weiter getanzt


Großen Zuspruch fand in den vergangenen Jahren das Tanzensemble. Deshalb gab es Gerüchte der Auflösung, als bekannt wurde, dass der Vertrag mit den beiden „Köpfen“ Dan Pelleg und Marko E. Weigert nicht verlängert wird. Doch das eine hat mit dem anderen nichts zu tun, sagen Bormann und Stefke. Ein paar Sachen seien eben „auserzählt“. Der Zuspruch von Tänzern, die ans Görlitzer Theater wollen, ist weltweit ungebrochen. „Wenn wir eine Stelle ausschreiben, kommen enorm viele Bewerber“, sagt Stefke. Im Mai wird es eine Veranstaltung anlässlich von 25 Jahren Tanz am GHT geben. Wer auf Pelleg und Weigert folgt, wird demnächst bekanntgegeben. 


Sommertheater am Kaisertrutz


Gemeinsam wurde ein Blick voraus gewagt, auf die warme Jahreszeit. Dann lockt das GHT wieder mit Sommertheater. Die Waldbühne Jonsdorf wird 2024 zur „Schatzinsel“. In Görlitz steht „Anything goes“ auf dem Programm. Der Broadwayklassiker über eine bunte Gesellschaft an Bord der M.S. America, der 1934 uraufgeführt wurde, ist gespickt mit Hits. „Anything Goes“ etwa wurde 2014 von Tony Bennett und Lady Gaga als Duett auf ihrem gemeinsamen Album „Cheeck To Cheeck“ veröffentlicht. Ablegen wird die M.S. America übrigens auf dem Theatervorplatz. Der Kaisertrutz wird Teil einer atemberaubenden Kulisse. Wir sind gespannt und freuen uns auf wunderbare Theatererlebnisse.

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