05.03.2024 - Stadtentwicklung

Fairer Austausch zur Denkmal-Stadtentwicklung

„Wer ein Denkmal kauft, weiß, dass er es erhalten muss.“. Der das sagt, ist Andreas Vogel, Vorsitzender des Stadtforums Görlitz. Der Verein kümmert sich seit 2008 um den großen Schatz, den Görlitz hat, um die Denkmale. Die Mitglieder setzen sich für die Probleme und großen Chancen des Denkmalschutzes in der Stadt ein. Laut geworden ist Andreas Vogel, als es um die Sanierung der Häuser Salomonstraße 13 und 14 ging. Die veränderte Fassade hat nicht nur ihn verwundert.

Dass dieses Thema ein Diskussionspunkt in der Stadtgesellschaft ist, hat auch Motor Görlitz erkannt. So wurde zum Motor Montag in den gut gefüllten Saal von KommWohnen eingeladen, um gemeinsam mit Andreas Vogel, Bürgermeister Benedikt Hummel und dem freien Architekten Sandro Kühn zu diskutieren. Wobei von Anfang an klar war: Es gibt sie nicht, die eine Lösung. Görlitz hat mit seinen vielen Denkmalen ein großes Erbe erhalten, jedes davon muss einzeln betrachtet werden.

 


Andreas Vogel, Vorsitzender des Stadtforums Görlitz e.V.

 

Paradigmenwechsel in der Stadtentwicklung?
 

Ausgehend vom Vorschlag von OB Octavian Ursu, dass es einen Paradigmenwechsel in der Stadtentwicklung geben müsse, erklärte Hummel den Weg: „Wir müssen wegkommen von dem Vorhaben, dass wir nur die Gründerzeithäuser im ursprünglichen Zustand zum Wohnen anbieten.“ Hier geht es um Umbauen, Weiterbauen oder auch Neubauen. So wie es auch bei Generationen vor uns der Fall war. Hummel verweist zum Beispiel auf die unterschiedlichen Baustile am Untermarkt.
 
Dem stimmt Andreas Vogel teilweise zu, aber er ist der Meinung, dass man bei heutigen Sanierungen eben auch die Leistungen der früheren Bauleute achten sollte und dementsprechend die Sanierung von Fassaden anpassen und wiederherstellen müsse.
 
Sandro Kühn erhofft sich vom Paradigmenwechsel, also dem Wandel grundlegender Rahmenbedingungen bei der Stadtentwicklung, dass bei der Sanierung denkmalgeschützter Gebäude auch gern mal „Zutaten“ der heutigen Zeit ermöglicht werden. Er bringt das Beispiel der Dachausbauten mit Dachterrassen, wo er bei Genehmigungsanträgen oft Schwierigkeiten hat. Das Stichwort modernes Bauen fällt. Doch was bedeutet dies, fragt Vogel. Wichtig sei heutzutage ein barrierefreier Wohnraum, bei dem die Wohnungszuschnitte den Vorstellungen der Mieter angepasst werden können und deren Energieversorgung bezahlbar ist, sagt Hummel.

 


Sandro Kühn, Freier Architekt und Stadtratskandidat für Motor Görlitz

 
Das bringt Moderator Mike Altmann zum Thema Photovoltaik auf Gründerzeithäusern. Gibt es hier Kompromisse oder Lösungen? Ja, sagt Benedikt Hummel. Der Freistaat habe sich des Themas angenommen. Es gibt eine Handreichung des Landesamtes für Denkmalpflege Sachsen zu „Denkmalschutz und Solarenergie in Sachsen“. „Hier sehe ich Lösungen für Görlitz“, sagt der Bürgermeister.

 

Denkmal - Fluch oder Segen?

Eine kleine Grundsatzdiskussion gibt es beim Thema, was denn eigentlich zum Denkmal zählt. Für Andreas Vogel ist klar: „Wer ein Denkmal kauft, weiß um den Mehraufwand. Der Denkmalschutz gilt für außen und innen.“ Dem widerspricht Benedikt Hummel. „Wir haben in Görlitz sehr viele Häuser, die pauschal als Denkmal zählen. Hier müssen wir aber in jedem einzelnen Fall herausbekommen, was wirklich erhaltenswert ist. Und das wird für jeden Bauherrn gleich objektiv betrachtet und entschieden, egal ob privat oder öffentlich-rechtlich? Christian Reichardt, Sprecher des Unternehmerverbandes Görlitz und Rechtsanwalt, widerspricht dem. „Ich habe oft mit privaten Bauherren zu tun, die genau das Gegenteil beweisen“, sagt er. Es bedarf einiger Reformen für Denkmalschutz in der Stadtentwicklung“, sagt er.



 Bürgermeister Benedikt Hummel, zuständig für Bau und Stadtentwicklung

 
Auch für KommWohnen-Chef Arne Myckert ist es nicht einfach, denn er hat rund ein Drittel denkmalgeschützte Häuser im Bestand. „Es ist jedes Mal ein Kraftakt, hier zu sanieren, denn neue Zielgruppen in die Gründerzeithäuser im Denkmalbestand zu locken, ist schwer“, sagt er. Andere, offenere Grundrisse zu schaffen, müsse bedacht werden. „Die Fassaden sind einladend, aber die Sanierung muss so passieren, dass sie bezahlbar und alltagstauglich ist“, so Myckert.
 
Dem kann Frank Vater, Architekt und Stadtführer, nicht ganz zustimmen. „Die Ergebnisse der Sanierung sind sehr unterschiedlich“, sagt er. Er spricht sich für eine Gestaltungssatzung für Görlitz aus, in der grundlegende Dinge festgelegt werden. Dem stimmt auch die die bündnisgrüne Stadträtin Dr. Jana Krauß zu. „In solch einer Gestaltungssatzung müssen wir den Denkmalschutz mit der Wirtschaftlichkeit verbinden, müssen Wege finden, Denkmale so zu gestalten, dass man gern drin wohnt“, sagt sie.
 
Und noch ein Thema klingt kurz an. Motor-Stadtrat Danilo Kuscher bezeichnet es so: Beim Denkmalschutz blicken wir auf die Leistungen vergangener Epochen zurück, beim Klimaschutz jedoch müssen wir vorausdenken. Wenn wir das nicht machen, fällt es uns irgendwann auf die Füße.


Die sehr ruhige, sachliche Diskussion an diesem Abend tat gut. Mike Altmann fasste zusammen: "Neben der Schönheit und dem Erbe müssen wir immer auch daran denken, dass wir die Häuser nicht erhalten können, wenn keiner darin wohnen will."

 

Für Hauseigentümer gibt es eine gute Grundlage zum Errichten von Photovoltaikanlagen auf denkmalgeschützten Gebäuden. Hier gehts zum Download: https://www.denkmalnetzsachsen.de/storage/app/media/uploaded-files/lfdsndenkmalschutz-und-solarenergie-insachsenhandreichungendeslandesamtesfuerdenkmalpflegesachsen2023-1.pdf
 
Text: Kerstin Fiedler
Bilder: Paul Glaser


 
 
 
 

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