07.02.2020 - Bürgerbeteiligung

Mehr Bürgerbeteiligung wagen 

Mehr Bürger an städtischen Entwicklungen beteiligen. Die klugen Ideen der Vielen nutzen, statt sich im kleinen Kreis zu drehen und Altbekanntes wiederzukäuen. Meckerer einbinden und sie durch Mitarbeit zu konstruktiven Mitbürgern machen. All das wünscht sich das Kommunalpolitische Netzwerk Motor Görlitz. Die weitere Verbesserung der Bürgerbeteiligung in Görlitz liegt in der DNA der 2018 gegründeten Stadtbewegung. Deshalb sollen sich die „Motor-Montage“ als regelmäßige Veranstaltung im Jahr 2020 diesem Thema widmen.
 
Beim Auftakt am 2. Februar im Cafe Kugel ging es um einen Überblick: Was wurde in Görlitz bei der Bürgerbeteiligung erreicht? Wo klemmt es? Wo wollen wir zukünftig hin? Als Insiderinnen standen die Koordinatorinnen der Stadtverwaltung, Silke Baenisch und Ina Rueth zur Verfügung. Gekommen waren auch zwei frisch gewählte Bürgerräte aus der Innenstadt Ost. Komplettiert wurde die zwanzigköpfige Runde durch aktive und interessierte Görlitzerinnen und Görlitzer.
 
Moderator und Motor-Vorstand Axel Krüger berichtete von einem Besuch in Grimma, wo er das Görlitzer Modell vorstellte. Dort traf er auf große Begeisterung. So ist es recht einzigartig, dass es für die einzelnen Beteiligungsräume nicht nur gewählte Bürgerräte gibt, sondern auch ein Budget von einem Euro je Einwohner. Somit entscheiden die Bürger, was sie mit den 7.000 – 9.000 Euro im Jahr für Projekte in ihrem Stadtteil umsetzen. Silke Baenisch koordiniert seit Anfang an den Prozess für die Stadtverwaltung. Im fünften Jahr des Bestehens der Bürgerräte bilanziert sie: „Es gibt immer mehr Zulauf, Interesse und Aktivitäten.“ So gab es bei den Wahlen zum Bürgerrat in der Innenstadt Ost sage und schreibe 13 Kandidatinnen und Kandidaten. Knapp 80 Einwohner waren gekommen, um ihren Bürgerrat zu wählen. Politikmüdigkeit sieht anders aus.
 
Also alles in Butter? Zumindest gut im Fluss. Görlitz möchte neben der Stadtteilarbeit drei weitere Säulen der Bürgerbeteiligung etablieren. Bereits begonnen wurde mit der „vorhabenbezogenen“ Beteiligung. Übersetzt aus dem Verwaltungssprech: Bevor neue Projekte umgesetzt werden, fragt man die Görlitzer. Aktuell praktiziert von OB Ursu, der mit dem Entwurf der Grünflächensatzung durch alle Stadtteile tourt. Dieser Ansatz ist für Iryna Yaniv richtig. Die Studentin der Fachrichtung Kultur und Management schreibt aktuell ihre Masterarbeit über Bürgerbeteiligung in Görlitz. Die Ukrainerin plädiert dafür, die Görlitzer stärker in die politischen Entscheidungsprozesse einzubinden. Denn für sie ist „Demokratie Stadtsache, nicht Staatssache.“
 
Motor-Vorstand Axel Krüger unterstützt das: „Eine weitere intensive Beteiligung der Einwohnerschaft ist aber nicht zum Nulltarif zu haben. Bereits jetzt sind die Koordinatorinnen gut ausgelastet. Wenn uns der Ausbau der Bürgerbeteiligung ernst ist, wird bei der nächsten Haushaltsdiskussion über eine personelle Aufstockung zu reden sein. Denn die nächsten Säulen der Bürgerbeteiligung warten auf Umsetzung. Zum einen die ‚zielgruppenorientierte‘ Bürgerbeteiligung. Einen ersten Aufschlag dazu von der Bündnisfraktion lehnten CDU und AfD im Stadtrat ab, weil sie derzeit keinen Bedarf an einem Jugendbeirat sehen. Irgendwie sollte aber die junge Zielgruppe beteiligt werden an den städtischen Entscheidungen. Schließlich muss sie mit den Folgen in der Zukunft leben.“  Säule vier ist der „Bürgerhaushalt“. Dabei könnten die Görlitzerinnen und Görlitzer mitentscheiden, welche Investitionen und Projekte in Angriff genommen werden.
 
Aktuell arbeitet die Stadtverwaltung an einer Novelle der Satzung. Einige Punkte müssen an neue Gegebenheiten angepasst werden. So können derzeit Stadträte gleichzeitig Bürgerräte sein, was nicht im Sinne der Erfinder ist. Außerdem fehlen Regelungen für die Wahlen der Bürgerräte. Aus der Runde des Motor-Montags gab es weitere Wünsche: So sollte an der Kommunikation gearbeitet werden, um Bürgerräte nicht zu frustrieren. „Wenn Projektvorschläge nicht umsetzbar sind, sollte das verständlich begründet und im Idealfall Lösungswege aufgezeigt werden, wie es doch funktionieren kann“, sagte Motor-Sprecher und Stadtrat Mike Altmann. Er lobte ausdrücklich die Arbeit von Silke Baenisch, die sich ein Vertrauensverhältnis zu den Bürgerräten aufgebaut habe und ein wichtiges Scharnier zwischen Bürgerschaft und Rathaus sei.  Zufrieden äußerten sich die Motor-Stadträte auch über die neuen Regeln für die Fragestunde im Stadtrat. Die Einwohner teilen sich nun die Stunde mit den Stadträten und können in jeder Sitzung Fragen loswerden. Fraglich ist, wer 16.30 Uhr schon Zeit hat, ins Rathaus zu kommen. Motor-Vorstand und Stadtrat Danilo Kuscher macht deshalb einen pragmatischen Vorschlag: „Wir können tauschen. Zuerst fragen die Stadträte, dann die Einwohner. Damit gewinnen wir eine halbe Stunde Zeit für die Bürgerschaft.“
 
Diese Feinheiten werden in den nächsten Wochen vom Stadtrat behandelt. Die große Linie ist für Motor Görlitz klar: Mehr Bürgerbeteiligung ist gut fürs Stadtklima. Deshalb wird die Reihe fortgesetzt. Im April steht das Thema „Jugendbeteiligung“ auf der Agenda.  

 

Mehr Infos? Hat der GÖRLITZ INSIDER!

Eine sehr gute Zusammenstellung zur Bürgerbeteiligung in Görlitz hat der GÖRLITZ INSIDER veröffentlicht. Was sind Bürgerräte? Wie kann ich mich wählen lassen? Wie kann ich Vorschläge für meinen Kiez einbringen. Diese und viele weitere Fragen werden beantwortet.

 

Foto: Silke Baenisch, Axel Krüger und Ina Rueth im Cafe Kugel (v.l.n.r.)

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