28.04.2020 - Stadthalle

Stadträte für Innehalten beim Stadthallen-Projekt

Erklärung zur Stadthalle Görlitz
 
Aus Verantwortungsbewusstsein gegenüber unserem Land und aus Sorge um die finanzielle Zukunft unserer Stadt bitten wir den Stadtrat und den Oberbürgermeister von Görlitz, die in Aussicht gestellten Fördermittel von 36 Millionen Euro für die Sanierung der Stadthalle zum jetzigen Zeitpunkt nicht anzunehmen.
 
Wir erleben derzeit, wie Millionen von Menschen in Deutschland um ihre Existenz kämpfen. Besonders betroffen sind kleine Betriebe, Händler, Gastronomen und Selbständige – auch in unserer Region. Kulturelle Einrichtungen werden auf absehbare Zeit geschlossen bleiben. Künstlerisch Tätige sind damit ohne eigenes Zutun beschäftigungslos. Während viele von ihnen Hartz IV beantragen müssen, soll die Stadt Görlitz 18 Millionen Euro vom Freistaat Sachsen und 18 Millionen vom Bund empfangen, um eine einzelne Kulturstätte zu sanieren? Wir empfinden bei diesem Gedanken Scham. Es ist für uns moralisch nicht vertretbar und ein Zeichen nicht nachhaltigen Handelns, wenn während der schwersten Krise nach dem zweiten Weltkrieg Steuermittel für ein Wunschprojekt mit unbestimmten Folgekosten verwendet werden, obwohl an anderer Stelle das Geld nicht reicht, um Existenzen zu sichern. 
 
Neben dieser moralischen Verpflichtung gegenüber unserem Land und deren Steuerzahlern haben wir als Stadträte einen Eid geschworen, Schaden von der Stadt Görlitz abzuwenden. Es ist von schwerwiegenden Verlusten bei den Einnahmen auszugehen. Der sächsische Städte- und Gemeindetag prognostiziert einen Rückgang der Gewerbesteuer von mindestens 40 Prozent. Das würde für Görlitz allein im Jahr 2020 ein Minus von rund sieben Millionen Euro bedeuten – selbst eine Million Einnahmeverlust wäre dramatisch. Für unsere städtischen Gesellschaften und Beteiligungen werden ebenfalls Einbußen erwartet, die aus dem städtischen Haushalt ausgeglichen werden müssen. Welche weiteren Belastungen folgen, ist derzeit völlig unklar.
 
In dieser Phase kann es für uns nur darum gehen, möglichst vieles von dem zu erhalten, was für unsere Stadtgesellschaft unabdingbar ist. Wir wollen weiterhin eine intakte Infrastruktur mit Kitas, Schulen, Sportstätten und Grünanlagen, eine umfassende medizinische Versorgung, einen modernen Nahverkehr und Wohnraum, den sich auch Menschen mit kleinem Einkommen leisten können. Theater, Tierpark, Schwimmhalle, Musikschule, Volkshochschule sowie die kleineren Veranstalter und Vereine bilden das Rückgrat der vielfältigen Görlitzer Kulturlandschaft – all das sind Einrichtungen, für die wir eine große Verantwortung tragen. Als wirtschaftlich unvernünftig empfinden wir es, ausgerechnet jetzt der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft Kommwohnen Gewinne zu entnehmen, um die Projektbegleitung für die Stadthallensanierung zu bezahlen.
 
Wir benötigen Klarheit über die finanziellen Auswirkungen der Krise. Erst dann lässt sich abschätzen, ob wir diese historische Aufgabe „Stadthalle“ bewältigen können. Das betrifft die nötigen Eigenmittel ebenso wie die Kosten für den laufenden Betrieb nach Wiedereröffnung. Solange diese Zahlengrundlage fehlt, halten wir es für unverantwortlich, unserem Land Geld zu entziehen, das an anderer Stelle dringend gebraucht wird.
 
 
 
Mit folgenden Maßnahmen wollen wir die Stadthalle als kulturvollen Begegnungsort erhalten und damit zugleich unserer Verantwortung gegenüber Land und Stadt gerecht werden:
 
1.     Die Stadt Görlitz erklärt gegenüber dem Freistaat Sachsen und dem Bund ihren Verzicht auf die Fördergelder - damit das Projekt Stadthalle nicht in Vergessenheit gerät, sollte eine Vereinbarung angestrebt werden, dass eine geförderte Sanierung fortgesetzt wird, sobald es die allgemeine Haushaltslage und die wirtschaftliche Gesamtsituation wieder zulassen.
 
2.     Solange wird die Stadthalle weiterhin gesichert, um das Denkmal zu schützen. Der bereits sanierte kleine Saal soll als Veranstaltungsort in diesem historischen Haus gestärkt werden.
 
3.     Der Stadthallengarten soll mit dem erforderlichen Aufwand saniert werden. Damit steht er in der warmen Jahreszeit für öffentliche Veranstaltungen und als bestens geeignete Spielstätte für das Sommertheater zur Verfügung. 
 
 
 
Unterzeichnet von den Stadträtinnen und Stadträten:
 
Dr. Jana Krauß, Kristina Seifert, Danilo Kuscher, Andreas Kolley, Mike Altmann

 

Foto: Foto: Frank Vincentz, Lizenz: GFDL

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