08.03.2023 - Ordnung und Sicherheit

Wie sind wir auf Katastrophen vorbereitet?

Bevölkerungsschutz? Bedingt einsatzfähig. Unter diesem Titel informierte Markus Kremser beim Motor-Montag zum Zustand unseres Schutzes im Katastrophenfall. Besonderes Interesse zeigten Kameradinnen und Kameraden von Berufsfeuerwehr, Freiwilliger Feuerwehr, THW und Mitglieder von Organisationen, die im Bevölkerungsschutz aktiv sind und in großer Anzahl ins Art Goreliz kamen. Laien waren dagegen kaum vertreten. Das ist eines der Probleme, mit dem der Bevölkerungsschutz zu kämpfen hat. Experten nennen es „Katastrophendemenz“. Während unmittelbar nach großen Schäden der Ruf nach Konsequenzen und besserem Schutz laut wird, gerät das Thema nach wenigen Jahren bereits in Vergessenheit.
 
Warum es nicht "Katastrophenschutz" heißt
Markus Kremser ist seit 1989 bei den Maltesern und beim DRK im Bevölkerungsschutz aktiv. Außerdem beschäftigt er sich professionell mit Krisenvorsorge, Krisenmanagement, Risiko- und Krisenkommunikation im Auftrag von Unternehmen und Gebietskörperschaften. Zunächst wurde das Wording erklärt: Die Profis sprechen über „Bevölkerungsschutz“ und nicht über „Katastrophenschutz“. Macht Sinn. Schließlich ist es die Bevölkerung, die geschützt wird. Zuständig sind drei Ebenen. Der Bund wird tätig bei Schadenslagen von nationaler Bedeutung, kriegerischen Konflikten sowie bei Hilfe im In- und Ausland. Der Freistaat Sachsen ist zuständig bei lokalen und regionalen Großschadenslagen. In Verantwortung der Kommunen liegen Alltagsereignisse, Rettungsdienst, Brandschutz und Technische Hilfe.
 
Schutz im eigenen Sozialraum
Für den Bereich Sanität und Betreuung im Bevölkerungsschutz gibt es im Landkreis Görlitz drei Einsatzzüge. In der Theorie sind diese Züge jeweils nur doppelt besetzt, so dass man auf maximal 200 Einsatzkräfte kommt. Ein Tropfen auf dem heißen Stein. Sobald es Katastrophen über mehrere Tage gibt, sich Unglücke parallel ereignen, und (aus welchen Gründen auch immer) von außen keine Hilfe geschickt wird, kommt dieses System zum Erliegen. Kremser wirbt deshalb für einen „sozialraumbasierten Bevölkerungsschutz“. Bedeutet: Eine Stadt, ein Kreis wappnet sich auch auf ziviler Ebene für Katastrophenlagen. Alles, was für einen Ernstfall benötigt wird, muss in sicheren Zeiten organisiert werden. Das beginnt im eigenen Zuhause. Wer Medikamente, Verbandszeug, Lebensmittel, Wasser und andere Dinge für den Ernstfall lagert, ist kein Panikmacher.

Darüber hinaus kann sich ein Sozialraum (damit sind beispielsweise ein Dorf oder ein Stadtteil gemeint) mit seinen Menschen an der eigenen Grundsicherung beteiligen. Feldbetten, Decken, Küchen, Transportgerät, spezielle Fachkenntnisse der Einwohner, helfende Hände, Lagerräume – es gibt eine Vielzahl an Dingen, die Bürgerschaft und Unternehmen für den Katastrophenfall beisteuern können. Dabei müssen solche Gerätschaften nicht ausschließlich für Katastrophenfälle genutzt werden. Feldbetten kann eine Jugendgruppe auch beim jährlichen Sommer-Zeltlager verwenden, die Küche, die im Notfall Betroffene und Einsatzkräfte verpflegt, kann im Normalfall im Vereinsheim genutzt werden. Ein solches System aufzubauen und verfügbar zu halten, erleichtert die Arbeit der Einsatzkräfte und schützt uns selbst, unsere Familie, Freunde und Nachbarn.

Baustellen im Freistaat
Das sind konkrete Aufgaben für die Stadtgesellschaft. Was wir nicht ändern können, von Markus Kremser dennoch engagiert vorgetragen wurde: Kleinstaaterei beim Bevölkerungsschutz (jedes Bundesland hat seine eigene Struktur), fehlende Führungsstrukturen, einen Mangel an Fachkenntnis, Lernbereitschaft und Veränderungswillen im zuständigen Ministerium, mangelhafte Unterbringungsmöglichkeiten für Fahrzeuge, Geräte und persönliche Ausrüstung. Letzteres sieht auch in Görlitz nicht optimal aus. Markus Kremser ist aber froh, dass die Stadt zumindest für die Einsatzfahrzeuge eine funktionierende Möglichkeit in Klingewalde geschaffen hat. Geld für eine Sanierung oder einen Neubau ist nicht in Sicht. Dafür reichen die Fördermittel des Freistaates vorn und hinten nicht. Kremser und die sächsischen Bevölkerungsschützer werden diesen Kampf in Dresden weiterführen. Hoffentlich erkennen die Landespolitiker, dass Prävention der beste Schutz ist. Sowohl für Leib und Leben als auch für die Finanzen. Denn jeder vorsorglich investierte Euro spart das sechs- bis neunfache an Schadenskosten, weiß Markus Kremser.

#TeamGörlitz an den Start bringen
Motor-Sprecher Axel Krüger fasst den Abend so zusammen: „Man kann sich vor dem Engagement der Bevölkerungsschützer nur verneigen. Sie sind seit der großen Flüchtlingsbewegung 2015/16 im Dauereinsatz. Es soll aber nicht beim Klatschen bleiben. Wir werden als Stadtbewegung an diesem Thema dranbleiben und uns am Aufbau einer zivilen Reserve für den Katastrophenfall beteiligen. Dafür sind einige Vorüberlegungen nötig. Wir hoffen, dass es möglichst schnell konkret wird. Denn es gibt sicher viele Menschen, Unternehmen und Organisationen, die etwas für den Schutz der Heimat leisten möchten.“

 

Foto: Imago/Kai Horstmann
 
 
 
 
 
 

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